Gestern habe ich die erste Folge des Podcasts „Kinder digital begleiten“ von Leonie Lutz gehört – und ich muss sagen, selten hat mich ein Gespräch über Medienerziehung so beschäftigt. Gerade weil mein Sohn noch kein eigenes Handy hat, aber immer wieder von seinen Freunden berichtet, die scheinbar „alles dürfen“, ist der Umgang mit digitalen Medien für uns ein tägliches Thema.
Zwei starke Stimmen für mehr Medienkompetenz
Leonie Lutz, bringt als Journalistin und Autorin viel Erfahrung und Herzblut mit. Ihr Gast in dieser Folge, Anika Osthoff, ist Lehrerin an einer digitalen Modellschule in NRW. Sie kennt die Herausforderungen und Chancen digitaler Medien aus dem Schulalltag und bringt einen sehr praxisnahen Blick mit.
Wie nehmen wir Erwachsene die digitale Welt unserer Kinder wahr?
Gleich zu Beginn stellen Leonie und Anika die spannende Frage: Wie erleben wir Erwachsene eigentlich die Digitalität unserer Kinder? Ich ertappe mich oft dabei, wie ich zwischen Faszination und Unsicherheit schwanke, wenn meine Tochter auf dem Tablet malt oder mein Sohn von den neuesten Spielen seiner Freunde erzählt. Für die Kinder ist das alles selbstverständlich – für uns Eltern ist es oft ein Balanceakt zwischen Zutrauen und Kontrolle.
„Wenn Kinder Smartphones haben, lesen sie keine Bücher mehr.“
Dieser Mythos begegnet mir immer wieder – und ehrlich gesagt, habe ich mir selbst schon Sorgen gemacht, dass das Handy irgendwann das Buch verdrängt. Laut PISA-Studie lesen Kinder und Jugendliche tatsächlich weniger und nicht mehr so gut wie früher. Digitale Medien werden oft als Ursache genannt, weil sie schnelle Belohnungen bieten.
Doch Anika Osthoff widerspricht hier differenziert: Laut KIM- und JIM-Studien bleibt das klassische Buch für rund 35% der Jugendlichen ein fester Freizeitbegleiter – und das seit Jahren. Hinzugekommen sind digitale Lesemedien wie E-Books.
Was ich besonders interessant fand: Auf Social Media gibt es richtige Lese-Communities wie BookTok und BookTube, die das Lesen sogar fördern. Viele Jugendliche entdecken dort neue Bücher oder schreiben und lesen Fanfiction. Das ist Lesen, nur eben anders.
Ich habe meinen Sohn gefragt, wie das bei seinen Freunden aussieht. Er meinte, einige lesen tatsächlich noch gerne Bücher – andere sind total begeistert von digitalen Geschichten oder Comics, die sie auf dem Tablet lesen. Mir wurde klar: Lesen hat heute viele Gesichter.
Ist digitales Lesen schlechter als Lesen auf Papier?
Auch das wird im Podcast angesprochen. Leseforscher Andreas Gold erklärt, dass es bei Sachtexten Unterschiede gibt, bei Belletristik aber keinen feststellbaren Unterschied zwischen digitalem und analogem Lesen. Das hat mich überrascht – und ehrlich gesagt auch ein bisschen beruhigt. Hauptsache, die Kinder lesen überhaupt, egal in welchem Format.
Was macht Social Media mit unseren Kindern?
Die Studienlage zu Social Media ist sehr unterschiedlich, Langzeitstudien fehlen. Klar ist aber: Social Media kann Chancen bieten, etwa für Austausch und Zugehörigkeit – gerade für Jugendliche, die sich in Nischen oder Subkulturen bewegen. Gleichzeitig gibt es Risiken wie Extremismus, Populismus, Mobbing, Sucht, Cybergrooming oder Kaufanreize.
Mir ist beim Zuhören bewusst geworden, wie wichtig es ist, mit meinen Kindern im Gespräch zu bleiben. Mein Sohn erzählt mir oft, was seine Freunde auf TikTok oder Snapchat erleben. Auch wenn er selbst noch kein Handy hat, ist er durch seine Freunde längst Teil dieser digitalen Welt. Ich versuche, offen zu bleiben, zuzuhören und nicht gleich zu urteilen.
Gemeinsam den Feed gestalten
Ein besonders wertvoller Tipp von Anika Osthoff: Wenn es soweit ist, sollte man gemeinsam mit den Kindern den Social-Media-Feed anschauen, Algorithmen erklären und besprechen, wie Apps wie Snapchat funktionieren und warum sie so fesseln können. Ein Verbot bringt wenig – Begleitung und Vertrauen sind der Schlüssel. Jedes Kind ist anders, digitale Selbstständigkeit sollte das Ziel sein.
Technik als Unterstützung – Vertrauen bleibt das Wichtigste
Natürlich können Smartphones so eingestellt werden, dass bestimmte Inhalte gesperrt sind. Das erleichtert den begleiteten Umgang, ersetzt aber nicht das offene Gespräch. Am Ende ist es das gegenseitige Vertrauen, das zählt.
Fazit
Die Podcast-Folge hat mir gezeigt: Viele digitale Mythen sind zu einfach gedacht. Es lohnt sich, genauer hinzusehen, zuzuhören und gemeinsam mit unseren Kindern neue Wege zu gehen. Ich nehme mir vor, noch offener für die digitale Welt meiner Kinder zu sein – und sie mit Neugier, Vertrauen und einem guten Gespräch zu begleiten.
Für euch die klare Empfehlung: Hört euch diese Folge an - für mich war sie unglaublich wertvoll.
Drei praktische Tipps aus dem Podcast:
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Gemeinsam entdecken: Schaut euch zusammen Social-Media-Feeds an, erklärt Algorithmen und besprecht, wie Apps wie Snapchat funktionieren.
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Individuell begleiten: Jedes Kind ist anders – digitale Selbstständigkeit sollte das Ziel sein.
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Technik als Unterstützung: Kindersicherungen sind hilfreich, ersetzen aber nicht das offene Gespräch und gegenseitiges Vertrauen.