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Streit mit Kindern: So förderst du eine gesunde Konfliktkultur

Streit mit Kindern: So förderst du eine gesunde Konfliktkultur

Meine Eltern haben sich nie gestritten. Ich habe das gehasst. Sie haben Konflikte nie offen ausgetragen, sondern sich einfach angeschwiegen. Für uns Kinder war das reiner Psychoterror, denn die unausgesprochenen Spannungen waren ständig spürbar, aber niemand sprach darüber. Genau deshalb liegt mir das Thema "gesunde Streitkultur" heute so sehr am Herzen.

Ich glaube fest daran, dass alle Emotionen ihre Berechtigung haben. Wäre das nicht so, hätte uns die Evolution sicherlich von der einen oder anderen Emotion befreit. Besonders die Wut hat für mich eine ganz eigene Qualität. Sie fühlt sich manchmal wie ein Sommergewitter an – intensiv, laut und stürmisch, aber wenn sie vorüber ist, riecht die Luft danach besonders gut. Es ist, als würde die Wut den Weg für Klarheit und frische Gedanken freimachen.

Früher habe ich selbst versucht, Streit zu vermeiden, weil ich dachte, das sei der richtige Weg. Doch ich habe gelernt, dass das Gegenteil der Fall ist: Streiten ist wichtig für die Entwicklung meiner Kinder. Es gibt ihnen die Möglichkeit, zu lernen, wie sie mit ihren Emotionen umgehen und Konflikte fair lösen können. Heute greife ich nicht mehr ein, um einen Streit sofort zu beenden, und ich ergreife auch keine Partei. Stattdessen höre ich aufmerksam zu und wiederhole oft die Standpunkte meiner Kinder, damit sie selbst erkennen können, was ihnen wichtig ist und wie sie damit umgehen können. 

Ich möchte meinen Kindern mitgeben, dass es in Ordnung ist, wütend zu sein und das auszudrücken – solange der Respekt gewahrt bleibt. Denn nur durch das offene Austragen von Konflikten lernen sie, dass auch in stürmischen Momenten Lösungen gefunden werden können. 

Warum ist Streiten wichtig?

Streit klingt im ersten Moment negativ, aber er hat eine wichtige Funktion. Meine Kinder lernen durch das Streiten so viel über sich selbst und andere. Psychologen sagen immer wieder, dass Konflikte nicht nur normal, sondern auch notwendig für die kindliche Entwicklung sind. Kinder müssen lernen, ihre Gefühle zu äußern, mit Frustration umzugehen und Kompromisse zu finden – und genau das passiert im Streit.

Emotionen wahrnehmen und ausdrücken

Ich habe oft beobachtet, dass meine Kinder durch einen Streit erst richtig merken, was sie stört. Indem sie ihren Ärger ausdrücken, lernen sie, ihre Emotionen zu erkennen und zu verstehen. Das hilft ihnen, diese Gefühle in Worte zu fassen, was ich für unglaublich wichtig halte. Wenn mein Sohn wütend ist, weil er nicht zuerst auf die Schaukel darf, lernt er, das auch zu sagen: „Ich bin wütend, weil ich nicht dran bin.“ Das ist ein großer Schritt in seiner emotionalen Entwicklung.

Frustrationstoleranz aufbauen

Einer der wichtigsten Aspekte, die ich im Umgang mit meinen Kindern gelernt habe, ist, dass Streit auch dabei hilft, Frustrationstoleranz aufzubauen. Ja, es ist nicht immer leicht, wenn man nicht das bekommt, was man will. Aber das gehört zum Leben dazu. Kinder müssen lernen, mit dieser Frustration umzugehen und nicht sofort aufzugeben. Gerade mein jüngerer Sohn reagiert oft mit großer Enttäuschung, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen läuft. Doch je öfter er durch den Streit lernt, dass nicht immer alles perfekt läuft, desto besser kann er auch mit Rückschlägen umgehen.

Fair streiten und Lösungen finden

Eine der größten Lektionen, die ich meinen Kindern beibringen möchte, ist, dass es im Streit nicht ums Gewinnen geht. Stattdessen geht es darum, faire Lösungen zu finden. Oft kommt es darauf an, wie sie miteinander umgehen. Respektvoll bleiben, auch wenn man wütend ist, das ist eine Fähigkeit, die wir immer wieder üben. Es ist mir wichtig, dass sie nicht nur ihre eigenen Bedürfnisse im Blick haben, sondern auch lernen, den Standpunkt des anderen zu verstehen.

Der Psychologe John Gottman hat mal gesagt:  "Kinder, die lernen, Konflikte respektvoll zu lösen, entwickeln tiefere soziale Bindungen und sind emotional stabiler."  

Dieser Satz trifft für mich den Kern. Denn es geht nicht nur darum, dass der Streit vorbei ist, sondern wie er beendet wird.

Wie wir eine gute Streitkultur in unserer Familie entwickelt haben

Es hat eine Weile gedauert, bis ich den richtigen Weg gefunden habe, wie wir in unserer Familie mit Konflikten umgehen. Es ist ein Prozess, der nicht immer perfekt läuft, aber mit der Zeit haben wir einige Dinge etabliert, die uns helfen, besser miteinander zu streiten.

Vorbild sein

Das erste, was ich gelernt habe: Kinder lernen durch Nachahmung. Sie schauen uns Erwachsenen genau zu, wie wir mit Konflikten umgehen. Wenn ich mich dabei erwische, dass ich laut werde oder unfair argumentiere, versuche ich, das sofort zu korrigieren. Ich zeige ihnen, dass auch ich Fehler mache und mich dafür entschuldigen kann. So sehen sie, dass es okay ist, Fehler zu machen, solange man bereit ist, daran zu arbeiten.

Regeln für den Streit

Bei uns zu Hause gibt es ein paar klare Regeln fürs Streiten: Niemand wird beleidigt, jeder darf ausreden, und wir schreien uns nicht an. Diese Regeln gelten für alle, auch für mich und meinen Mann. Das hilft den Kindern, den Streit in einem fairen Rahmen zu halten. Natürlich klappt das nicht immer, aber mit der Zeit verstehen sie besser, warum diese Regeln wichtig sind.

Emotionen benennen

Ich habe gemerkt, dass es meinen Kindern hilft, wenn ich ihre Gefühle in Worte fasse. Wenn mein Sohn wütend ist, sage ich: „Ich sehe, dass du wütend bist, weil du nicht zuerst auf die Schaukel darfst.“ Das nimmt oft schon etwas Druck aus der Situation. Sie fühlen sich verstanden, und das macht es leichter, über eine Lösung zu sprechen. Es ist auch eine wichtige Lektion in emotionaler Intelligenz – eine Fähigkeit, die sie ihr Leben lang begleiten wird. Letztens bin ich richtig laut geworden, weil die Jungs viel zu spät nach Hause gekommen sind, aber ihre Smartwatch nicht dabei hatten. Ganz leise sind sie nach meinem Ausbruch in ihr Zimmer gegangen. Nach ein paar Minuten und deutlich weniger Puls bin ich hinterher und habe mich entschuldigt. “Wir haben darüber geredet. Du warst gar nicht wütend. Du hast uns angeschrien, weil du so große Angst um uns hattest.” Wir haben uns dann umarmt und erstmal eine Runde geweint.

Gemeinsam Lösungen finden

Anstatt immer selbst Lösungen vorzuschlagen, lasse ich meine Kinder oft nach ihren eigenen Lösungen suchen. Ich frage: „Wie könntet ihr das Problem lösen?“ oder „Was wäre eine faire Lösung für euch beide?“ Das stärkt ihr Gefühl, selbst Verantwortung übernehmen zu können, und fördert ihre Problemlösungsfähigkeiten.

Nach dem Streit versöhnen

Ein wichtiger Punkt für uns ist die Versöhnung nach dem Streit. Es ist mir wichtig, dass die Kinder nach einem Konflikt die Chance haben, sich zu entschuldigen oder einfach nochmal in Ruhe darüber zu sprechen. Ich ermutige sie, das Thema nicht einfach zu ignorieren, sondern es gemeinsam abzuschließen – ob mit einem „Es tut mir leid“ oder einer Umarmung. So lernen sie, dass Konflikte zwar zum Leben gehören, aber nicht das Ende einer Beziehung sind.

Es war nicht immer leicht, eine gesunde Streitkultur in unsere Familie zu bringen, aber es hat sich gelohnt. Heute sehe ich, wie meine Kinder lernen, Konflikte auf faire Weise zu lösen, wie sie ihre Emotionen ausdrücken und immer besser mit Frustrationen umgehen können. Klar, es gibt immer wieder Momente, in denen es lauter wird oder Regeln vergessen werden – aber das ist normal. Wichtig ist für mich, dass wir als Familie zusammen daran arbeiten und ich sehe, dass meine Kinder durch diese Erfahrungen wachsen. Und ich auch.

Streiten gehört zum Familienleben einfach dazu, und das ist auch gut so. Durch den Streit lernen Kinder so viel über sich selbst, über den Umgang mit anderen und darüber, wie man fair miteinander umgeht. Eine gute Streitkultur bedeutet nicht, Konflikte zu vermeiden, sondern sie konstruktiv zu lösen. Als Eltern haben wir die Verantwortung, unseren Kindern dabei zu helfen, diese Fähigkeiten zu entwickeln.

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